Wenn die Augen tatsächlich der Spiegel der Seele sind, dann kann der Betrachter in diesen - ohne je ein Gedicht von Kaleko gelesen zu haben - die enorme Sensitivität aber auch die Melancholie wahrnehmen, die sich in den meisten ihrer Verse widerspiegeln. Die jüdische Lyrikerin galizischer Herkunft lebte seit 1918 in Berlin.
Bereits in den 20er Jahren wurden ihre Verse im gesamtdeutschen Raum bereits in den Zeitungen abgedruckt und schließlich veröffentlichte der Rowohlt-Verlag 1933 ihr erstes Buch, " Das lyrische Stenogramm".
Zwei Jahre später sollte ihr zweites Buch " Kleines Lesebuch für Große" herausgebracht werden, doch die Texte wurden unmittelbar bevor sie gedruckt werden konnten, von den Nazis beschlagnahmt. Weitere Bücher schrieb Kaleko im Exil in den USA. Während der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts galt die Dichterin als die " Bänkelsängerin der Moderne."
1956 besuchte Kaleko Deutschland zum erstem Mal erneut, doch 1960 nahm ihr Comeback ein rasches Ende als sie den Fontane-Preis der Akademie der Künste in Berlin nicht annahm, weil eines der Jury-Mitglieder vormals in der SS war. 1975 verstarb die Lyrikerin in Zürich.
Mascha Kaleko gibt in ihren Gedichten Alltägliches und Grundsätzliches wieder, sie schreibt sozusagen Gedichte, die man für das Leben gebrauchen kann. Damit lässt sie sich im gewissen Sinne in ihrem lyrischen Schaffen Kästner, Ringelnatz und Tucholsky zuordnen.
Die in diesem Buch vorgelegten 100 Gedichte sind in sieben Themenbereiche unterteilt.
Zur Heimat erkor ich die Liebe - Ich und Du- Du sollst nicht wissen, dass ich einsam bin - Heimweh nach den Temps perdus - Der Jahre buntes Kleid- Wir haben keine andere Zeit als diese- Das so genannte Rad des Lebens -
Kalekos Tristesse und ihre innere Einsamkeit kommen in vielen ihrer Gedichte ebenso zum Ausdruck , wie ihr latenter Spott. In einem ihrer Verse fragt sie: "Warum werfen uns seelische Katastrophen nicht um?" ... und weiter/ Wenn das, was wir Liebe zu nennen gewohnt sind/ stirbt,/ geschieht es auch selten auf einen Schlag,/ Sondern auch nur so schrittweise, Tag um Tag/ Vielleicht ein Tausendstel Millimeter/- Sonst gäb`s chronische Epidemien von gebrochenen Herzen/ So aber verschmerzen wir`s fast/....
Der Verlust ihrer Heimat wurde zum Lebensthema der Lyrikerin: Wenn ich "Heimweh " sage , sag ich " Traum"./Denn die alte Heimat gibt es kaum./Wenn ich Heimweh sage, mein ich viel:/ Was uns lange drückte im Exil./Fremde sind wir nun im Heimatort./Nur das "Weh" es blieb./Das " Heim" ist fort./
Anfügen möchte ich vier Verse aus zwei unterschiedlichen Gedichten von Kaleko, die meines Erachtens besonders deutlich ihre Gefühlsintensität lyrisch zum Ausdruck bringen.
Lass mich das Pochen deines Herzens spüren,
Dass ich nicht höre, wie das meine schlägt.
Tu vor mir auf all die geheimen Türen,
Da sich ein Riegel vor die meinen legt.
Ich kann es, Liebster , nicht im Wort benennen,
Und meine Tränen bleiben ungeweint,
Die Macht, die und von Anbeginn vereint,
Wird uns am letzten aller Tage trennen.
( aus : Blatt im Wind)
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Du hast in mir viel Lichter angezündet,
Mit blauen Träumen mir den Tag erfüllt,
Und alles Blühen, alles Leuchten mündet
Noch im Erlöschen hin zu deinem Bild.
Du kamst: Zum Garten ward das Grau der Straßen.
Du kamst nicht, und der Tag hat nicht gezählt.
Wie hat, allein, das Leben mich gequält.
Der große Trug, den wir zu zweit vergaßen.
(aus: Finale con moto)
Schön und traurig zugleich , nicht wahr?
So schreibt Mascha Kaleko.
Sehr empfehlenswert.
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