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Rezension: Leben Sie recht lieb. In Eile. Briefe von Goethes Geliebter und Ehefrau- Christiane Vulpius.

Die Herausgeberin der Briefe von Christiane Vulpius ist die Autorin Katharina Maier. Sie ist auch die Verfasserin der aufschlussreichen Einleitung. Hier berichtet sie zunächst Wissenswertes über Goethes langjährige Geliebte und späterer Ehefrau Christiane Vulpius. 

Mir gefällt, dass Katharina Maier die Einleitung mit einem Zitat von Karoline Jagemann beginnt. Diese war zu Zeiten Goethes eine gefeierte Schauspielerin in Weimar. Sie schreibt über Christiane: 

"In meiner Kindheit wohnte sie neben uns und war ein sehr hübsches, freundliches, fleißiges Mädchen; aus ihrem apfelrunden Gesicht blickten ein paar brennend schwarze Augen, ihr etwas aufgeworfener Mund zeigte, da sie gerne lachte, eine Reihe schöner weißer Zähne, und dunkelbraune Locken fielen ihr um Stirn und Nacken." 

Christiane Vulpius beeindruckte schon in jungen Jahren durch ihren Fleiß und die Tatsache, dass sie entgegen den Gepflogenheiten einer  damaligen Mittelschichtstochter sich zur Erwerbstätigkeit entschied, nachdem ihr Vater als Ernährer der Herkunftsfamilie ausgefallen war. 

Die Weimarer Gesellschaft war nicht besonders freundlich ihr gegenüber, als sie Goethes Geliebte wurde und empfand sie als nicht standesgemäß. Die bodenständige Weimarerin soll sinnlich gewesen sein. Sie arbeitete hart, trank und tanzte gerne, liebte Goethe und teilte dessen Interessen für das Theater und für Botantik. Christiane war allerdings keine Intellektuelle und sie war nicht von Adel. Das verzieh man ihr nicht. 

Goethe schätzte Christianes Lebenslust. Das ist eindeutig. 

Ihre Art Briefe zu schreiben, amüsiert vielleicht gerade deshalb, weil sie kreativ mit Worten umzugehen wusste, ohne dass sie jemals in der Schriftlichkeit zu Hause war. 

Die Briefe sind in fünf Kapitel untergliedert und machen deutlich, weshalb Goethe genau mit dieser Frau lange Jahre gemeinsam lebte. Sie war liebevoll, unkonventionell, fleißig, mutig und kurzweilig. All diese Eigenschaften sorgten für ein entspanntes Zusammenleben. Intellektualität fand Goethe anderswo. Das Zusammenleben mit einer Intellektuellen, das wusste der Hochbegabte gewiss, wäre zu anstrengend für ihn als Universalgenie gewesen.

Im 6. Kapitel hat Katharina Meier "Kluge, schöne und spritzige Worte" von Christiane Vulpius zusammengetragen. Diese und eine Vielzahl von Bildern vervollständigen den Eindruck im Hinblick auf die Frau, an die Goethe einst nicht grundlos schrieb ...lieber Engel, ich bin ganz Dein".

Sehr empfehlenswert.

Helga König

Das Buch ist überall im Handel erhältlich

Onlinebestellung: Weimarer Verlagsgesellschaft oder Amazon

Rezension: Feine Pflänzchen- Mascha Kaléko- dtv

Dieses hübsche Gedichtsbändchen berührt Blumenfreunde allein schon  wegen der Illustrationen auf dem Einband. Es handelt sich dabei um winzige Blümchen in Vasen und in Töpfen, die von Vögeln und Schmetterlingen begleitet werden. Sie geben einen ersten Hinweis darauf, worum es in diesen Gedichten geht: Um Pflanzen.

Schon Goethe hat eine Vielzahl seiner Verse Pflanzen gewidmet. Soche  Gedichte kann nur der verfassen, der Zugang zur Natur  hat. Goethe hatte ihn bekanntermaßen.

Mascha Kaléko ist eine der bedeutendsten weiblichen Lyrikerinnen des vergangenen Jahrhunderts. Mit Pflanzengedichten hätte ich sie bislang nicht in Verbindung gebracht. 

Kalékos Verse im Buch sind Pflanzen - Illustrationen beigegeben, die ähnlich wie die Gedichte selbst einer gewissen Komik nicht entbehren. Mascha Kaléko war eine typische Zwillingsfrau. Es ist Komik aber auch beißend schwarzer Humor, der zu diesem Frauentyp gehört, auch wenn sie eigentlich eine Liebeslyrikerin ist.

So wundern nachstehende Zeilen nicht:

Durch die Blume 

Seit ´33 lieb ich selbst Narzissen 
Nur noch mit seltsamen Gewissensbissen. 

Keine Zeile in diesem Gedichtband lässt erahnen, dass Kaléko wundervolle Liebenslyrik verfasst hat. Das finde ich bemerkenswert.

Übrigens: Ein nettes Mitbringsel anstelle von Blumen.

Empfehlenswert 

Helga König

Das Buch ist überall im Handel erhältlich

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Rezension: Liebesgedichte großer Männer- Wenn wir lieben sind wir zeitlos- Marixverlag- Sabine Nepolitano

Sabine Nepolitano hat in diesem Gedichtband Verse aus unterschiedlichen Jahrhunderten zusammengestellt. Im Quellenverzeichnis ist angeführt, aus welchen Werken die Liebesgedichte der Dichter stammen. 

Die lyrischen Texte sind in insgesamt acht Kapitel eingebunden. Dabei geht es zunächst um Verse, in denen die Dichter ihre Liebe erklären. Hier kann man sich in poetische Liebeserklärungen von Johann Wolfgang von Goethe, Theodor Fontane, Heinrich Heine, Pablo Neruda   sowie anderen berühmten Dichtern vertiefen,  hält vielleicht bei dem Poem des Komponisten Franz Liszt länger inne und  freut sich über die Zeilen "Alle Stimmen meines Herzens/und meine Seele singen/ den Hymnus der Liebe,/die Du erträumt hast." Während man diese Sätze liest, denkt man vielleicht an Liszts "Liebestraum" und begreift, was diesen Künstler bewegt hat, sowohl beim Schreiben des Verses als auch beim Komponieren des Stücks. Es muss eine tiefe Sehnsucht gewesen sein. 

Ein Kapitel ist dem Kuss gewidmet. Dazu wissen wieder viele Dichter etwas zu sagen, doch keiner formuliert einen solch wunderbaren Satz wie Wolfgang Borchert "Im Kuss versank die Welt im Traum"  Der Lyriker drückt aus, was ein Kuss eigentlich zur Folge hat: Traumzeit, wenn auch nur für Momente. 

Gedichte, die liebende Männer schreiben, wenn die erste Verliebtheit vorüber, findet man hier ebenso wie jene, die wunschlose Seligkeit bekunden. Hier entdeckt man Paul Verlaine, auch Hafis, Christian Morgenstern und irgendwann den Maler Paul Klee. Alle haben wundervoll geschrieben, auch Stefan Zweig, dessen Gedicht "Hand in Hand" mich sehr bewegt hat, ganz ähnlich wie die Zeilen des Philosophen Platon, die ich hier zitieren möchte "Unter den Sternen wohnt mein Liebster; /o dass ich der ganze Himmel wäre/ Mit viel Augen dich anzuschauen!“ Dann finde ich ein Gedicht Friedrich Hebbels wenig später, mit dem Titel "Ich und Du" und denke an den Menschen, der mir das Gedicht vor Jahren erstmals nahe brachte.  Später wird das  Zusammensein thematisiert, so etwa  von Erich Fried in "Aber wieder", auch von Mozart und schließlich von Christian Morgenstern, dessen Gedichte mich besonders berühren. Deshalb  möchte ich eines seiner im Buch abgedruckten Werke hier zitieren: 

An*** 
Da steht man nun in fremder Stadt allein 
mit dem, was man gefehlt und man getan, 
und den man liebt, der will nicht bei dir sein
und wandelt eigenwillig eigne Bahn. 

Und einer Liebe wunderreicher Hort 
bleibt unerschöpft und ewig unerlebt; 
ich stehe einsam hier, du einsam dort, 
und sind im Tiefsten doch so ganz verwebt. 

Auch ein Gedicht des bengalischen Dichters Tagore ist sehr berührend und natürlich  die Texte Rainer Maria Rilkes, der am feinsinnigsten Gefühle in Sprache umzusetzen vermag. 

Dann ist da auch noch Friedrich Halms Gedicht  "Mein Herz, ich will dich fragen" abgedruckt, das zu meinen Lieblingsliebesgedichten zählt  aber auch Verse von Ovid und anderen großen Geistern. 

Die Gefühle, die in den Gedichten zum Ausdruck kommen, sind nicht immer frühlingshaft, oft sind sie sehr melancholisch und so angelegt, dass längst vergessener Kummer erneut hervorbricht.

Vergessen wir also nie die Worte Theodor Storms, die eine ewige Wahrheit enthalten, uns aber nicht abhalten sollten, zu lieben.

Die Lieb' ist wie ein Wiegenlied:
Es lullt Dich lieblich ein.
Doch schläfst Du kaum, so schweigt das Lied,
und Du erwachst allein.

Sehr empfehlenswert 

Helga König

Überall im  Fachhandel erhältlich
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Rezension: Gesammelte #Gedichte- #Michel_Houellebecq - #Dumont

Michel Houellebecq zählt zu meinen Lieblingsautoren und Lieblingslyrikern. Er beeindruckt als blitzgescheiter Intellektueller, brillanter Analytiker und begnadeter Poet. 

Die hier vorliegende Gedichtsammlung umfasst 761 Seiten. Alle Gedichte sind in französischer und deutscher Sprache abgedruckt. Untergliedert sind sie in die Rubriken: 

Der Sinn des Kampfes 
Suche nach Glück 
Wiedergeburt 
Gestalt des letzten Ufers 

Natürlich ist es nicht möglich, zu all den Gedichten an dieser Stelle etwas zu schreiben, oder gar Gedichtanalysen anzufertigen. Wer über ein Gedicht schreibt, es zerlegt, nimmt ihm die Poesie. Will ich das?  Nein, denn ich liebe Poesie und achte sie.

Auf Seite 141 finde ich ein Gedicht, das die Zeiten überdauert. Um auf das Buch neugierig zu machen, gebe ich es hier wieder:  

Eine der Sonne ausgesetzte Seele
Nah beim bedrohlichen Meer; 
Die Wellen brechen und wecken
Dunklen, schlafenden Schmerz. 

Was wären wir ohne die Sonne?
Angewidertsein, Ekel, Leiden, 
Stumpfsinn der Existenz,
Alles verschwindet unter der Sonne. 

Die Mittagshitze verströmt 
Den Körper eines reglosen Genusses; 
Sehnsucht nach Tod, totalem Vergessen,
Die Augen vor einem Berührungskoma verschlossen.

Mitleidlos räkelt sich das Meer 
Wie ein erwachendes Tier; 
Dieses Universum hat kein Gesetz. 
Was wären wir ohne die Sonne? 

Nachdem ich 150 von Houellebecqs Gedichten gelesen habe, vielleicht waren es auch 200, dachte ich erneut, ja er ist wortgewaltig und mutig dazu. Er geht ohne Scheu ganz nah ran an das, was ihn bewegt und entkleidet subtil  die Nacktheit der Seele, stellt Fragen und weiß:

"Es dauert einige Sekunden, 
eine Welt auszulöschen."

Jeder weiß das, der erleben musste, wie  ein anderer wenig behutsam, unsre Illusionen zertrümmert hat und uns mit einem Scherbenhaufen alleine ließ. Macht weidet sich an der Ohnmacht ihrer Gegenüber...

Houellebecq ist  bei allem einer der der letzten Troubadoure. Das macht ihn bewundernswert. 

Nach einigen Monaten 
(Oder einigen Wochen) 
Bist du meiner müde Du, 
die ich zur Königin gemacht habe. 

Mir als schwergeprüftem Sterblichen 
War das Risiko bekannt, 
Die Sonne, rund wie ein Diskus 
Strahlt über meinem verreckten Leben. 
(697) 

Houellebecq, der Meister der nackten Verzweiflung ist ein großer Liebender, der nicht an die Liebe glauben mag, weil er  weiß:

"Es dauert einige Sekunden, 
eine Welt auszulöschen."

Diese Tatsache macht sensiblen Menschen Angst.

Sehr empfehlenswert 
Helga König

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Rezension: Es ist Nacht und mein Herz kommt zu Dir- #Liebesgedichte- #Christian_Morgenstern- #Marix

Christian Morgenstern (1871-1914) ist der Verfasser der Liebesgedichte, die von feinsinniger Schwermut durchzogen sind. Die subtile Melancholie allerdings tritt nicht sogleich aus den Texten hervor, denn zunächst scheinen sie dahinzugleiten und hin und wieder gar in Alltäglichkeiten abzuschweifen. 

Der Dichter geht weit hinein in die menschliche Gefühlswelt mit all ihren Abgründen und Höhen, dabei schließen sich gedankliche Tiefe und Humor nicht aus. Das macht seine Texte besonders sympathisch. Dennoch, die Liebe war für ihn eine ernste Sache. 

Seine Art widersprechende Empfindungen zum Ausdruck zu bringen, berührt sehr. Als Beispiel dafür möchte ich das Gedicht auf Seite 138 anführen.

Mein Herz ist leer, 
ich liebe dich 
nicht mehr. 

Erfülle mich! 
Ich rufe bitterlich 
nach dir.

Im Traume zeig
dich mir 
und neig 
dich zu mir her! 

Erfülle mich 
mit dir 
auf ewiglich! 

Ich trag's nicht mehr, - 
ich liebe dich 
zu sehr. 

In vielen Versen ist die Sehnsucht aber auch die Einsamkeit ein Thema. Es sind Moll-Töne, die traurig machen, doch auch faszinieren. Vielleicht ist es ja die Liebe in Moll, die in die Ewigkeit verweist.

Diesbezüglich einige Zeilen aus dem Gedicht "Schicksal der Liebe" (S.140/141)

Wir sind zwei Rosen
darüber der Sturm fuhr
und sie abriss.
.......
Heimatlose,
tanzen und fliehen sie
nur für einander 
duftend und leuchtend
den Weg der Liebe-
...
Sehr empfehlenswert.

Helga König

Überall im Buchhandel erhältlich
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