Dieses Blog durchsuchen

Rezension: Catull: Dichter der Leidenschaft

"Keine Frau kann behaupten, dass sie so sehr geliebt wurde, wie du, Lesbia, von mir geliebt wurdest.(Catull, 87.1-2, Seite 81) 

 Die weltweit führende Catull-Expertin Julia Haig Gaisser befasst sich in ihrem Buch mit dem römischen Dichter Catull (1. Jahrhundert v. Chr.) und der Zeit, in der lebte. Diese Zeit soll zu den aufregendsten und interessantesten Epochen der römischen Geschichte gehört haben. Geschrieben wurde das Buch lt. Gaisser für Leser, die gerne über Wörter nachdenken und auch darüber, was geschieht, wenn diese aneinandergereiht werden; wie sie klingen, welche Assoziationen sie wecken, sowohl im Rahmen eines bestimmten Gedichtes als auch im Hinblick auf andere Gedichte, die diese Menschen vorab gelesen haben.

 Die Autorin thematisiert zunächst den jungen Dichter Catull in Rom und unterstreicht dabei gleich zu Beginn, dass seine Gedichte, sogar die langen, emotionale Unmittelbarkeit und Eindringlichkeit vermitteln. Die Emotionen, auch Liebe, Trauer, Freude, Hass und Verachtung sind klar, direkt und leidenschaftlich, so die Expertin. Dabei sind sie nicht im Abstrakten angesiedelt, sondern vielmehr in der realen, historischen Welt des spätrepublikanischen Roms.

Man hat Gelegenheit Fragmente einer Biografie zu lesen, sich mit der Politik Roms der 50er Jahre v. Chr. zu befassen, die in jenen Tagen eine "riesige, schmutzige, reiche, gewalttätige, aufregende" Hauptstadt eines immer weiter Imperiums war. Man liest über die Gepflogenheiten der High Society zu damaliger Zeit und über die Statussymbole. Offenbar gab es in der Upper-Class viele verschiedene Kreise, deren Wertvorstellungen, Interessen und Aktivitäten sich stark voneinander unterschieden. Die einstigen Sexualvorstellungen werden beleuchtet und man lernt zu begreifen, dass Catulls Dichtung räumlich und zeitlich in die Politik, Gesellschaft, Sexualmoral und in literarischen Ideen eingebunden war.

Die wichtigen Themen des Buches sind, um dies kurz zu skizzieren, Catulls Gedichtsbücher, sein lyrisches Ich, die Antwort auf die Frage, weshalb es Dichtung überhaupt gibt, die Architektur der Dichtung, sowie Lieder für mehrere Stimmen.

Auf diese Themen hier näher einzugehen, führt zu weit. Erwähnen aber möchte ich, dass der Dichter besonders berühmt für die Gedichte war, in denen es um die Liebesbeziehung mit einer Frau namens Lesbia geht. Das Bild des Liebhabers, das er in seinen Versen heraufbeschwört, zeigt sein gequältes, leidenschaftliches lyrisches Ich, das einer unerreichbaren Frau verfallen ist, die seine Hingabe nicht verdient; (vgl.: S.61).

Wissen muss man, dass der Catull, der uns in den Gedichten begegnet, eine Fiktion darstellt, auch wenn er nicht völlig frei erfunden ist, (vgl.S.74).

Ganz zum Schluss hat man Gelegenheit, sich über die Catull-Rezeption von der Antike bis zum 16. Jahrhundert ausführlich zu informieren und erhält alles in allem einen guten Überblick über Leben, Werk und Wirkung dieses Dichters der Leidenschaft.

 Empfehlenswert.

Bitte klicken Sie auf den Button, dann gelangen Sie zu Amazon und können das Buch bestellen.

Rezension:Else Lasker-Schüler - Franz Marc: Eine Freundschaft in Briefen und Bildern. Mit sämtlichen privaten und literarischen Briefen (Gebundene Ausgabe)

Dieses Buch ist der Freundschaft zwischen Else Lasker-Schüler und Franz Marc gewidmet und enthält sämtliche private und literarische Briefe, die die beiden sich geschrieben haben. Herausgeberin des reich bebilderten Buches ist Ricarda Dick.

Die künstlerische Zwiesprache nahm Franz Marc 1912 mit der ihm persönlich nicht bekannten Else Lasker-Schüler auf. Wenige Wochen später stellte sich Else Lasker-Schüler in ihrem ersten Brief an den Maler mit "Ich bin Jusuf, Prinz von Theben" vor. Der erste erhaltene Brief Marcs an die Dichterin besteht aus einem ganzseitigen Selbstporträt mit Pferd. Er schreibt: "Der Blaue Reiter präsentiert Eurer Hoheit sein blaues Pferd. Gruß von m. Gemahl, Euer Fz. M.

Ende 1912 kam es zur ersten Begegnung der beiden. Wie sich "der Faden wechselseitiger Inspiration" weiter entwickelte, machen die Briefe im Buch deutlich.. Es führt zu weit, auf die einzelnen, poetischen Briefe die phantasievoll gestalteten Karten, Zeichnungen und die vielen Abbildungen besonders schöner Briefseiten und Umschläge an dieser Stelle näher inhaltlich einzugehen. Den Briefwechsel zu lesen ist, das kann ich versprechen, ein großes Vergnügen.

Erwähnen möchte ich noch, dass Lasker-Schülers Roman "Der Malik" als Faksimile der Originalausgabe von 1919 im letzten Teil des Buches abgedruckt wurde.

Das Buch enthält auch Gedichte der Lyrikerin. Eines davon möchte ich hier zitieren, weil es mich besonders berührt: 
Wie soll ich dich rufen

Der Himmel trägt im Wolkengürtel 
Den gebogenen Mond 

Unter dem Sichelbild 
Will ich in deiner Hand ruhn 

Immer muss ich wie der Sturmwill. 
Bin ein Meer ohne Strand 

 Aber seit du meine Muscheln suchst
 Leuchtet mein Herz. 

 Das liegt in meinem Grund
 verzaubert. 

 Vielleicht ist mein Herz die Welt- 
-Pocht- 

 Und sucht nur noch dich- 
Wie soll ich dich rufen?

 Prinz von Theben. (R LSch.) 
(S.31) Empfehlenswert.

Bitte klicken Sie auf den Button, dann gelangen Sie zu Amazon und können das Buch bestellen.





Rezension: Briefe bewegen die Welt Bd. 5 Kunst und Kultur (Gebundene Ausgabe)

"So, nun soll mein kleiner bunter Vogel zu Ihnen fliegen, mit herzlichen Grüßen u. guten Wünschen von Ihrem H. Hesse.

Dies ist der fünfte Band der Serie "BRIEFE BEWEGEN DIE WELT". Diese Bände werden von Hellmuth Karasek herausgegeben. Diese Bände werden von Hellmuth Karasek herausgegeben. Auch diesmal hat er die Einleitung dazu verfasst und wie immer stammt das Vorwort vom Konzernvorstand "Brief Deutsche Post DHL" Jürgen Gerdes.

 In diesem Band hat Karasek Briefe aus dem Kunstbetrieb der letzten 500 Jahre ausgewählt und beginnt den Reigen mit einem Schreiben Albrecht Dürers an die Stadt Nürnberg. Der Brief, wie viele andere der im Buch thematisierten Briefe, bzw. Briefwechsel, ist handschriftlich abgedruckt. Gottlob gibt es dazu auch stets einen maschinengeschriebenen Text, denn manche Handschrift ist kaum entzifferbar.

Zu dem Brief und den Hintergründen, die zu den jeweiligen Schreiben führten, wird man in der Folge immer aufgeklärt. Zudem gibt es stets eine umfangreiches Textportrait zu den einzelnen Schreibern. Ein Foto oder ein Gemälde des Künstlers u. ein Foto des Briefpartners kann man auch stets bewundern und es wird auch immer ein Kunstwerk des jeweiligen Künstlers vorgestellt. Vom Briefpartner erfährt man ebenfalls Wissenswertes.

 Dürer gehört zu den Malern, die ich am meisten schätze. Insofern bin ich natürlich begeistert, nun auch einen Eindruck von seinem Schriftbild zu haben. Seine Schrift ist so schön, dass der Brief eigentlich gerahmt werden müsste. Dürer lernt man durch diesen Brief als klugen Kaufmann kennen, der sich anschickte, der Stadt Nürnberg nach heutigem Geld etwa 250 000 Euro als festverzinsliches Darlehen zu einem Jahreszins von 5 % erfolgreich abzuschwatzen, obschon er keinerlei Geldsorgen hatte. Von Dürers Mischung aus Kunst und Geschäftssinn profitiert die Stadt Nürnberg noch heute, das bleibt in den Erläuterungen zum Brief nicht unerwähnt.

 Auf die einzelnen Briefwechsel der Künstler näher einzugehen und im Rahmen der Rezension die Korrespondenz zu analysieren, führt zu weit. Briefe von Persönlichkeiten wie Angelika Kaufmann, Caspar David Friedrich, Wilhelm Busch, Max Liebermann, Oskar Kokoschka, Ludwig Kirchner, Max Beckmann und Max Ernst werden vorgestellt, aber es findet sich auch ein Brief von Hermann Hesse an Alfred Kubin in diesem Band über bildende Künste.

 Kubin war Zeichner, Grafiker und Illustrator. Ihm schreibt Hesse gewissermaßen disziplinübergreifend, (vgl: S.88). Bezaubernd ist die kleine bunte Illustration Hesses mittels der er seinen Brief beginnt. Kubins Schriftbild ist übrigens gewöhnungsbedürftig. Hier ist der Leser zunächst mit dem Entziffern der Worte lange beschäftigt, bevor er sich mit dem Inhalt des Briefes auseinandersetzen kann. Gut, dass die Zeiten handgeschriebener Briefe der Vergangenheit angehören,
 Durch die Briefe lernt man Beweggründe von Schreibern kennen, auch welche Kinderstube sie hatten. Nicht für alle Briefeschreiber entwickelt man spontan Sympathien, für Hermann Hesse allerdings sofort.

Empfehlenswert.

Bitte klicken Sie auf den Button, dann gelangen Sie zu Amazon
und können das Buch bestellen.

Rezension:Die besten deutschen Gedichte (insel taschenbuch) [Taschenbuch]

Dieser wunderbare Gedichtband enthält die wichtigsten und schönsten Gedichte vom 12. Bis zum 21. Jahrhundert. Ausgewählt hat sie der von mir hoch verehrte Marcel Reich- Ranicki. Er auch hat das Vorwort verfasst. Provokant fragt er hier gleich zu Beginn, ob wir Gedichte wirklich brauchen, was man von ihnen erwarten dürfe, was sie leisten können. Dann beginnt Reich- Ranicki über die Lyrik zu philosophieren und lässt den Leser u.a. wissen, dass in ihr, der „zartesten und intimsten, der anmutigsten und übrigens auch subjektivsten Gattung der Literatur“ auch stets ein Element der Rebellion verborgen sei. Weshalb dies so ist erläutert er dann in der Folge. Auch vergisst er nicht zu erwähnen, dass es der Poesie gegeben sei, Empfindungen und Stimmungen zu benennen und festzuhalten. Indem sie seelische Vorgänge ausdrücke, wirke sie zugleich befreiend. Ich stimme Rein-Ranicki zu, dass wir der Lyrik Schönheit verdanken und dass das sie, indem sie sich der Vergänglichkeit widersetze, immer auch Lebensbejahung sei.

Der Band beginnt mit dem kleinen Vers „ Du bist min“ eines unbekannten Dichters aus dem 12. Jahrhundert und endet mit Durs Grünbeins „Wie kreuzgefährlich Rituale sind“. Zwischen diesen beiden Texten finden sich viele Dutzende wundervoller Gedichte, von denen ich viele aber keineswegs alle bereits kannte.

Eines meiner Lieblingsgedichte stammt von Gotthold Ephraim Lessing
Lied aus dem Spanischen
Gestern liebt ich
Heute leid ich,
Morgen sterb ich
Dennoch denk ich
Heute und morgen
Gern an gestern.
(S. 44)

Dazu passend ein Gedicht von Goethe:
„Alles geben die Götter, die unendlichen,
Ihren Lieblingen ganz,
Alle Freuden, die unendlichen,
Alle Schmerzen, die unendlichen ganz.“
 (S.52) I

Ich finde, dass man über diese beiden Gedichte viel nachdenken und sich ganz genau überlegen sollte, was man sich wünscht.

Empfehlenswert.

Bitte klicken Sie auf den Button, dann gelangen Sie zu Amazon und können das Buch bestellen.

Rezension: Unter dem Flüstern der Zeiten- Barbara Feldbacher

Dieser sehr schöne Lyrikband enthält jahreszeitliche Gedichte von Barbara Feldbacher. Den Gedichten sind Fotos des Schlosses Hellbronn und den dortigen Parkanlagen beigegeben. Im Rahmen eines lyrischen Spazierganges führt Fellbacher den Leser durch diese Anlage und fängt in ihren Gedichten die jahreszeitlichen Veränderungen ein, keineswegs nur des Parks, sondern auch ihrer Empfindungen. 

Natürlich kommt auch die Liebe in ihren Versen zu Wort und das Leid. Ohne Schmerz scheint die Liebe wohl niemals einem Menschen teilhaftig zu werden. 

Feldbachers Lyrik ist weit entfernt von der Moderne. Sie passt sich der Umgebung des Schlosses an und präsentiert sich in erster Linie zeitlos. Um Ihnen eine Vorstellung davon zu geben, welche Gedichte Sie in dem vorliegenden Buch erwarten, habe ich einen Text gewählt, in dem die Lyrikerin sich mit Seelenbetrachtungen befasst. Es scheint  eine Art Schlüsselgedicht für das vorliegende Buch zu sein, denn nur eine empfindsame Seele ist letztlich dazu in der Lage, ihre Umgebung in der ganzen Vielfalt  wahrzunehmen und dazu noch in poetischer Sprache subtil darzustellen. 

Seelenhaut

Ein 
Leben lang 
hat meine Seele
bloß gelegen,
verteilt auf alle Schichten
meiner Haut
Ein
jeder Luftzug
konnte sie erregen, 
so mancher Windstoß 
hat sie aufgeraut. 

Ein 
Flügelschlag schon
ließ sie 
tief erbeben,
das Farbspiel 
von einem Schmetterling.
Jung 
sagte man,
sei sie nicht
fähig für ein Leben,
die Widerstandskraft 
zu gering.

Ließ doch 
Ein Hauch bereits
sie oszillieren
das leise Wehen, 
sank sacht ein Federflaum, 
ein schwebend Blatt,
konnte sie empfindsam spüren,
gelöst 
von einem Lebenstraum 

Nicht selten 
kam der Sturm
und zauste ihre Ränder, 
riss, zog und zerrte
hin und her, 
für Seelen 
gibt es kein Geländer
sich festzuhalten ist
oft schwer. 

Empfehlenswert.

Rezension: Uta Engel- Du atmest jetzt schon ganz schön lange aus- Ein Abschied

Dieses farblich sehr schön gestaltete Buch enthält Gedichte der Lyrikerin Uta Engel. Die Diplom-Kauffrau und ausgebildete Bühnentänzerin arbeitet in beiden Berufsfeldern. 

Die Texte im Buch (es sind nicht nur Gedichte) sind entstanden, nachdem ihr Vater überraschend verstarb. Von ihm nimmt Ute Abschied. Durch die Gedichte verarbeitet sie dessen Tod, wie es scheint. 

Wie geht man mit abrupter Trennung oder mit dem Tod eines geliebten Menschen um? Weshalb fällt mitunter Abschiednehmen so schwer? Hängt es am Ende damit zusammen, dass man sich noch nicht alles Wichtige mitgeteilt hat? 

Mir sind Menschen begegnet, die den Zurückgelassenen das Abschiednehmen verwehrten, vielleicht um auf diese Weise stets erneute Traumtreffen provozieren zu können. Um der sinnlosen Quälerei ein Ende zu machen, hilft nur loslassen. Doch dies ist einfacher gesagt als getan, wenn der Stachel der Liebe sich tief ins Herz gebohrt hat. 

Stellvertretend für die vielen vortrefflichen Texte im Buch, möchte ich das "Traumtreffen" hervorheben. 

TRAUMTREFFEN 
Wollte Dich immer im Traum treffen. 
Du weißt schon- 
Nochmal alles sagen können. 
Ein Gespräch, 
wissen, ob es Dir gut geht, 
nochmal Deinen Ratschlag hören-
Dir sagen, wie sehr Du mir fehlst. 
Und dann habe ich geträumt. 
Es klopft an meiner Tür.
Ich mache auf und da stehst Du.
Kann nicht sagen- so außer mir bin ich. 
Du kommst rein,
schaust mich an voller Wärme und sagst: 
"Ich habe meine Taschenlampe vergessen.“ 

Du nimmst sie Dir und gehst.
Jetzt weiß ich: 
Wo immer Du auch bist- 
Du bist noch derselbe. 
Und ich weiß auch: 
Wir hatten uns bereits alles Wichtige gesagt, 
als Du noch hier warst. 

Empfehlenswert.

Bitte klicken Sie auf den Button, dann gelangen Sie zu Amazon und können das Buch bestellen.

Rezension: Koloß im Nebel: Gedichte (Gebundene Ausgabe)

Das vorliegende Buch enthält Gedichte des Lyrikers Durs Grünbein. Dieser Dichter erhielt u.a. im Jahre 1995 den Georg-Büchner-Preis, 2004 den Friedrich-Nietzsche-Preis, 2005 den Friedrich-Hölderlin-Preis. 2006 in Italien den Pasolini-Preis und 2012 in Schweden den Tomas-Transtömer-Preis.

Wie man erfährt, stehen in Grünbeins Dichtung Innenleben und äußere Welt in einer unauflösbaren Spannung. In all seinen Gedichten werde letztlich die Frage gestellt, was Imagination sei und wie sie das Bewusstsein verändere.

Mit dieser Info an der Hand habe ich mich durch die sieben Abteilungen gelesen, die man wie Bilder einer Ausstellung begreifen soll. Wie bei jeder Ausstellung gibt es Bilder, zu denen man einen besonderen Zugang hat.

Besonders angesprochen hat mich bei dem Reigen der Gedichte, die sehr zum Nachdenken anregen, jenes mit dem Titel "Wenn kein Credo mehr gilt". Auch hier muss man sich die Frage natürlich stellen: "Was ist Imagination und wie verändert Sie unser Bewusstsein?" Gehen wir nach der bewussten Lektüre dieser Verse mit mehr Respekt und größerer Aufmerksamkeit an die Werke der Lyriker heran? Es wäre zumindest zu wünschen.

Wenn kein Credo mehr gilt

Auf einem Ozean der Ignoranz
Treibt der Poet, ausgesetzt
Von den Schiffen der Philosophen
Majestätisch dahin.

In den Wellen verliert er sich,
Findet sich wieder auf hoher See,
Wo das Epos in Trümmer ging,
Von leichten Winden getragen.

Demut hält ihn im Gleichgewicht.
Eine Schwimmblase ist sie
Für die schaukelnde Psyche.
Die blaue Vernunft gibt ihm Halt.

 Majestätisch? Von wegen.
Der Finnische Meerbusen schweigt.
Das Gelbe Meer reicht ihn weiter
An die Straße von Malakka.
Die Barentssee weiß nichts von ihm.
 (Seite 90)

 Empfehlenswert.

Bitte klicken Sie auf den Button, dann gelangen Sie zu Amazon und können das Buch bestellen.

.

Rezension: Du musst das Leben nicht verstehen: Schöne Gedichte (Gebundene Ausgabe)

Dieser Gedichtband enthält eine bemerkenswerte Auswahl von Gedichten Rainer Maria Rilkes (1875-1926).

Die Gedichte sind in sechs Abschnitte untergliedert:
Mir zur Feier. Eine Auswahl (1897-1898)
Das Stundenbuch. Eine Auswahl (1899-1903)
Das Buch der Bilder. Eine Auswahl (1902 und 1906)
Neue Gedichte. Eine Auswahl (1906-1907)
Der neuen Gedichte anderer Teil. Eine Auswahl (1907-1908)
Sammlung der verstreuten und nachgelassenen Gedichte aus den mittleren und späten Jahren (1906-1926)

 Das Nachwort hat Evita Schäfer verfasst. Sie sagt, dass bei aller thematischen, motivischen oder sprachlichen Unterschiedlichkeit die Gedichtsammlung Rilkes durch das Moment einer immer wieder neuen (kindlichen)Aneignung der Welt, des Gegenübers, aber auch des eigenen Selbst geeint werde, (vgl.: 219).

Die chronologische Anordnung der vorliegenden Gedichte gibt einen Überblick über die einzelnen Schaffensphasen. Schäfer skizziert diese im Nachwort kurz und dabei gut nachvollziehbar. Die verdeutlicht in diesem Zusammenhang, welchen Themen in den einzelnen Schaffensperioden Raum gegeben wird.

Ich mag Rilkes Liebeslyrik sehr und doch möchte ein anderes Gedicht hier vorstellen, das ich bislang noch nicht kannte. Dieses Gedicht ist eines der schönsten und dabei klügsten Gedichte, die ich je gelesen habe.

 Du musst das Leben nicht verstehen
 Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen
von jedem Wehen sich viele Blüten schenken lässt.

Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuen seine Hände hin.
 (Seite. 19)

 Empfehlenswert.

 Bitte klicken Sie auf den Button, dann gelangen Sie zu Amazon und  können das Buch bestellen.

Rezension: Wislawa Szymborska. Glückliche Liebe und andere Gedichte (Gebundene Ausgabe)

Dieser Gedichtband enthält tiefsinnige Gedichte der im Februar 2012 in Krakau verstorbenen Literaturnobelpreis-
trägerin Wislawa Szymborska. Die Lyrikerin, Essayistin und Übersetzerin wurde am 2. Juli 1923 in Posen geboren und debütierte 1945 mit dem Gedicht "Ich suche das Wort".

Adam Zagajweski titelt das Nachwort "Einen Dichter wie sie gibt es kein zweites Mal" und skizziert in der Folge das Wesen dieser interessanten Frau, die die Konversation liebte und sich ausgefallenden Lektüren hingab, sich für unterschiedliche Wissenschaften begeisterte, deren Entwicklung sie verfolgte. Zagajweski lässt den Leser wissen, dass diese Lyrikerin das Modell des Dichters, der sich für Dichtung begeistern kann, ablehnte. Szymborska lachte viel, erfährt man. Das spricht natürlich auch für sie als Mensch.

Auf dem Hintergrund der europäischen Gegenwartslyrik zeichnen sich die Gedichte der Polin durch ihre Originalität aus. Zagajweski charakterisiert die Verse als intellektuell, konzentriert, auch witzig ironisch. Dieser Meinung schließe ich mich an.

Eine Rezension über einen Gedichtband ist nicht geeignet Gedichtinterpretationen dort vorzunehmen, aber es sollte dem Leser zumindest ein Vers aus dem rezensierten Band vorgestellt werden. Entschieden habe ich mich zu nachstehenden Zeilen aus dem Gedicht "Glückliche Liebe":

"Glückliche Liebe. Muss das sein?
Takt und Vernunft raten, sie zu verschweigen,
wie einen Skandal aus den höheren Lebenssphären.
Prächtige Kinder werden ohne sie geboren
Die Erde könnte sie niemals bevölkern,
sie kommt schließlich selten vor.

Sollen doch die Menschen, die sie nicht kennen,
behaupten, es gebe keine glückliche Liebe. 

Mit diesem Glauben leben und sterben sie leichter."

 Empfehlenswert.
Bitte klicken Sie auf den Button, dann gelangen Sie zu Amazon und 
können das Buch bestellen.

 

Rezension:Ich sehne mich nach Licht und Liebe - Die schönsten erotischen Gedichte von Frauen (Gebundene Ausgabe)


Dieser bemerkenswerte Lyrikband ist von der freien Autorin und Publizistin Sabrina Melandri herausgegeben worden. Sie hat in Rom und Oxford Romanistik, Anglistik und Philosophie studiert, für Lyrikfreunde erotische Gedichte, die von Frauen geschrieben wurden, ausgewählt und das Buch mit erotischen Zeichnungen des Künstlers Gustav Klimt illustriert.

Bei den Lyrikerinnen handelt es sich um Sappho, Jeannie Ebner, Ulla Hahn, Sarah Kirsch, Hilde Domin, Luise Labé, Ingeborg Bachmann, Else Lasker-Schüler, Franziska zu Reventlow, Marie Madleine, Mascha Kaléko, Rose Ausländer und vielen anderen mehr.

Mich hat beim Lesen interessiert, wie Frauen unterschiedlicher Zeiten ihre Begierde in Worte transformiert haben, ohne dabei seicht oder profan zu werden, interessiert hat mich auch die möglicherweise erkennbare Leidenschaftlichkeit der einzelnen Lyrikerinnen.

Die Französin Louise Labé (1524-1566), die ich bislang nicht kannte und die von Rilke einst ins Deutsche übersetzt wurde, scheint eine offene, leidenschaftliche Frau gewesen zu sein, wie ihre Verse glaubhaft machen. Leidenschaftlich und sehr sinnlich auch war Franziska von Reventlow, offen zeigt sie dies in in ihrem Gedicht "Heißestes Lieben". Vielleicht spielte sie auf der Klaviatur der Erotik wie keine zweite Frau, war alles was sich ein Mann erträumen kann.

Untergliedert ist der Gedichtband in die Rubriken: Herzenswunsch, Augenblick, Rosenmund, Liebeszauber, Sinnenrausch, Lustschmerz und Traumnacht.

Lange ließ ich das Gedicht "Liebe" von Rose Ausländer (1901-1988) auf mich wirken. Menschen, die zu träumen verstehen, werden es gewiss mögen.

Liebe

Wir werden uns wiederfinden
im See
du als Wasser
ich als Lotusblüte

Du wirst mich tragen
ich werde dich trinken

Wir werden uns angehören
vor allen Augen.

Sogar die Sterne
werden sich wundern:
hier haben sich Zwei
zurückverwandelt.
in ihren Traum
der sie erwählte
(S.80).

Ein Buch, das ich gerne empfehle.


Bitte klicken Sie auf den Button, dann gelangen Sie zu Amazon und können das Buch bestellen.

Rezension:Frankfurter Anthologie 35: Gedichte und Interpretationen (Gebundene Ausgabe)

Die "Frankfurter Anthologie 35" wartet mit 50 Gedichten aus unterschiedlichen Jahrhunderten und deren Interpretationen auf.

Bei den Gedichten handelt es sich u.a. um Werke von Heinrich von Morungen, Andreas Gryphius, Joseph von Eichendorff, Heinrich Heine, Theodor Storm, Friedrich Nietzsche, Karl Wofskehl, Kurt Tucholsky, Jürgen Becker und Durs Grünbein.

Zu den Interpreten zählen Peter von Matt, Ulrich Greiner, Gabriele Wohmann, Hans Ulrich Treichel, Eva Demski und viele andere mehr.

Auf den letzten Seiten des Gedichtbandes erfährt man übrigens Wissenswertes zu allen Interpreten.

Marcel Reich-Ranicki startete am 15. Juni 1974 in der Samstagsausgabe der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ein in der Literaturgeschichte einmaliges Unternehmen, in dem er jeden Samstag Gedichte aus sämtlichen Epochen der Lyrik vorstellte, jedes der Gedichte von einem namhaften Interpreten erläutert. Die Bände der "Frankfurter Anthologie" beinhalten immer die Gedichte und Interpretationen eines Jahrgangs. Zwischenzeitlich liegen über 1900 Gedichte vor.

Vorstellen möchte ich am heutigen Ostersamstag das Gedicht von Karl Wolfskehl, in dem er es an Selbstironie nicht fehlen lässt. Wie alle Gedichte im Buch, ist auch dieses sehr gut interpretiert. Zu Recht hält Marie Luise Knott fest, dass in diesem Gedicht Ernst, Spott und Selbstironie eng beieinander liegen. Ich stimme ihr zu, wenn sie schreibt Bibliophile bilden eine verschworene Gemeinschaft und dass man trotz des Anrüchigen, das dieses Sammeln hat, es gerne kultiviert. Davon kann ich selbst ein vielstrophiges Lied singen.

Hier das Gedicht, mit dem der Dichter mir und hoffentlich auch Ihnen aus der Seele spricht. Natürlich sollten wir uns nicht scheuen Bücher, die wir besitzen, auch zu lesen. Wolfskehl hat es gewiss auch getan. Er stapelt nur tief. Das macht ihn mir sehr sympathisch.

Lobgesang

Büchern bin ich zugeschworen,
Bücher bilden meine Welt,
Bin an Bücher ganz verloren,
Bin von Büchern rings umstellt.

Zärter noch als Mädchenwangen
Streichl' ich ein geliebtes Buch,
Atme bebend vor Verlangen
Echten Pergamentgeruch.

Inkunabeln, Erstausgaben,
Sonder-, Luxus-, Einzeldruck:
Alles, alles möcht' ich haben -
Nicht zum Lesen, bloß zum Guck!

Bücher sprechen ungelesen -
Seit ich gut mit Büchern stand,
Weiß ich ihr geheimstes Wesen:
Welch ein Band knüpft mancher Band!

Bücher, Bücher, Bücher, Bücher,
Meines Lebens Brot und Wein!
Hüllt einst nicht in Leichentücher -
Schlagt mich in van Geldern ein!
(S.115)

Empfehlenswert.

Bitte klicken Sie auf den Button, dann gelangen Sie zu Amazon und  können das Buch bestellen.

Rezension:Mein Herz steht Kopf (Gebundene Ausgabe)

Dieses Buch enthält sehr hübsche farbige Illustrationen der freien Illustratorin Ann-Kathrin Busse, die Liebesgedichte namhafter Lyriker visualisieren.

Die Illustrationen haben ihr Motiv in Herzen gefunden, die bekanntermaßen ein Symbol für die Liebe sind.

Man könnte vermuten, dass die Illustrationen kitschig sind, doch dem ist m.E. nicht so. Busse hat es geschafft witzige, sehr nachdenkliche Bilderwelten zum Thema Liebe durch ihre Herz-Illustrationen zu zaubern.

Auf einem Bild sieht man bespielweise einen Maler, der in einer grauen Steinwüste einen der Steine leuchtend rot anmalt und ihn auf diese Weise zu einem Herzen macht, ihn also beseelt.
Auf einem anderen Bild sieht man ein riesiges Herz auf dem Kopf stehen, das von einem ebenfalls auf dem Kopf stehenden Clown balanciert wird.

Es sind viele unterschiedliche Motive, die den Betrachter inne halten und Fragen nach der Befindlichkeit des eigenen Herzen stellen lassen.

Die Liebesgedichte stammen von Lyrikern wie Christine von dem Knesebeck, Joachim Ringelnatz, Walther Petri, Mascha Kaléko, Erich Fried und vielen anderen mehr.

Busse hat es wirklich geschafft alle Gedichte in sehr ansprechende Illustrationen umzusetzen. Dabei gefällt mir nachstehendes Gedicht von Angelika Wolff und die dazugehörige Illustration besonders gut, weil hier die Liebe in ihrer Idealform Ausdruck findet.

Wagnis
Maskenlos
Du und ich
Begegnen wir uns
Immer wieder gerne
Auf dem hohen Seil,
Vorsichtig und aufmerksam
Nähern wir uns dem Anderen.
Stets darauf bedacht
Balance zu halten.
Mit der Zeit haben wir gelernt,
Uns auf den anderen zu verlassen,
Ihm lächelnd Vertrauen zu schenken,
Gefährdungen
Rechtzeitig zu erkennen.

Immer wieder neigen wir den Kopf voreinander
Und proben
Im stillen Einverständnis
Den Salto
Um einander in den Armen zu landen
Festen Boden unter den Füßen
Herzschlag im Takt.

(Angelika Wolf)

Empfehlenswert.
 
Bitte klicken Sie auf den Button, dann gelangen Sie zu Amazon und können das Buch bestellen.