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Rezension: Aus der Kölner Bucht: Gedichte (suhrkamp taschenbuch) (Taschenbuch)

Der Lyriker Jürgen Becker wurde 1932 in Köln geboren. Die Gedichte des vorliegenden Büchleins hat Becker in den letzten vier Jahrzehnten verfasst. Wie Becker im Vorwort erwähnt, kommen in den meisten Versen Namen von Gegenden und Orten vor, die in der Kölner Bucht oder an deren Rändern liegen. Diese so genannte Kölner Bucht erstreckt sich um Köln herum, zwischen Bonn, Leverkusen und gewiss auch noch Düsseldorf, so der Dichter. Becker unterstreicht, dass in den Gedichten des vorliegenden Bandes die Kölner Bucht "mit spricht", indem ihr Monströses, ihre beschädigte Schönheit, ihr Reichtum an Widersprüchen, an Bildern und gleichbleibenden Geräuschen, eine nicht nachlassende Faszination zu Wort kommen (vgl.: S. 10).

Die Gedichte sind von sehr unterschiedlicher Länge und haben nicht selten etwas Bedrückendes. Die beschädigte Schönheit erahnt man besonders in dem kleinen Gedicht "Gegend mit Stadtautobahn": "damals, die Amsel in der Machabäerstraße/ morgens um fünf, und/ die lebendigen Ruinen der Altstadt,/ein Regen, grau wie der Mai jetzt/"

Die Titel der Gedichte lassen bereits erahnen, worum es geht: "Am Strand von Rodenkirchen", "Der März in der Luft des Hochhauses", "Autobahnring", "Zeitzeugen" und dergleichen mehr.

Mir hat ein Vierzeiler sehr gut gefallen, der etwas über den Sinn von Ritualen und über Vergänglichkeit aussagt.

Sommer, siebziger Jahre

Die Pflaumen hängen noch fest
und die alte Frau geht
ins Haus zurück, wo sie das Bild,
August 44, des Sohnes zurechtrückt.
(Jürgen Becker)

Was geschah im Sommer 44? War dieser Sohn ein Nazi? Ein Soldat, der im Krieg fiel? Ein Widerstandskämpfer, den man im Sommer 44 hinrichtete? Ein Jude, der in Ausschwitz vergast wurde? Warum denkt man sofort, dass der Sohn nicht mehr lebt? Weil das Gedicht keinen anderen Schluss zulässt? Anfang August hängen die Pflaumen noch fest. Die alte Frau erinnert sich an den Sommer 44 als ihr Sohn noch lebt.... Das Zurechtrücken des Bildes ist ein Versuch, etwas gerade zu rücken, was in die Schieflage kam. Die Mutter kann nicht helfen, auch wenn sie jedes Jahr, wenn die Pflaumen noch nicht fallen wollen, das Ritual wiederholt.

Rezension:Sehnsucht nach der Sehnsucht: Die schönsten Liebesgedichte (Broschiert)

Der Schriftsteller Kurt Tucholsky (1890- 1937) wurde 1933 aus Deutschland ausgebürgert. Er war Zeitkritiker in Vers und Prosa von großer Treffsicherheit und Ironie, vertrat einen linksgerichteten pazifistischen Humanismus, schrieb auch heitere melancholische Liebesgeschichten und - das ist weniger bekannt - viele sehr, schöne Liebesgedichte.

Im Nachwort von Jan Sidney erfährt man, dass die Frau, um die er lange kämpfte, Mary Gold hieß. Sie war die Tochter eines verarmten Buchhalters in Riga. 1917 lernt er sie kennen. Er hoffte auf eine leichte Eroberung, aber es kam ganz anders. Tucholsky war zu diesem Zeitpunkt verlobt und hatte zahlreiche Affären mit anderen Frauen. Mary verliebt sich in ihn, ist aber distanziert. Das lässt Tucholsky entflammen. Er ist verrückt nach der intelligenten Blondine mit der dunklen Stimme. Er fühlt sich angezogen von der Mischung aus Zurückhaltung, Temperament, Weiblichkeit und Mädchenhaftigkeit. Jane Sidny unterstreicht, dass Tucholsky Frauen eigentlich nicht ernst nimmt und sie intellektuell den Männern als unterlegen betrachtet, ganz Kind seiner Zeit.

Mary verwirrt ihn. Er schickt ihr in zwei Jahren Hunderte von Liebesbriefen, die zu den schönsten der deutschen Literatur zählen, dennoch wird die Beziehung zunächst nicht in einer Ehe enden. Er heiratet 1920 seine langjährige Freundin Else, eine Ärztin. Diese Ehe hält nur vier Jahre. Schon einige Monate nach der Hochzeit schickt er Mary erneut glühende Liebesbriefe.

Unmittelbar nach seiner Scheidung dann heiratet er Mary. Das Glück der beiden dauert nur einige Jahre. Eine andere Frau wird sein Interesse gewinnen und dieser wird eine weitere folgen. Was bleibt ist bis zum Schluss die Sehnsucht nach Mary. 1933 hat er die Ehe mit ihr beendet, um sie vor den Nationalsozialisten zu schützen. 1935 notiert er kurz bevor er Gift nimmt: "Ich habe nur eine Frau in meinem Leben geliebt, und werde mir nie verzeihen, was ich ihr angetan habe."

Die vorliegenden Liebesgedichte, im Besonderen jene, die an Mary gerichtet sind, zeigen viele Facetten des Frauenverführers. Aus den nachstehenden Versen spricht der hoffende Liebende : Jeder ist so vom andern durch Weiten getrennt/ dass er nicht weiß, wo es lodert und flammt und brennt./ Wir sind allein .-/ Selten springt ein Funke von Blut zu Blut,/ bringt zur Entfaltung, was sonst in der Stille/Wir sind allein .-/ Aber einmal- kann es auch anders sein-/Einmal gib dich,- und , siehst du, dann wird aus zwein: Wir beide- / Und keiner ist mehr allein. -/

Andere Gedichte sind frech, ironisch, drastisch, manche aber auch leise, andere gefühlvoll oder gar melancholisch.

Den Gedichtband werde ich mit 5 Sternen bewerten, weil die Gedichte eine Poesie entfalten, wie ich sie selten bei einem Lyriker gelesen habe.

Inhaltlich hat mich nachstehendes Gedicht freilich nicht begeistert, unter lyrischen Aspekten jedoch ist es meisterlich.

Frauen von Freunden
Frauen von Freunden zerstören die Freundschaft.
Schüchtern erst besetzen sie einen Teil des Freundes,
nisten sich in ihm ein,
warten,
beobachten,
und nehmen scheinbar Teil am Freundesbund.
Dies Stück des Freundes hat uns nie gehört -
wir merken nichts.
Aber bald ändert sich das:
Sie besetzen einen Hausflügel nach dem andern,
dringen tiefer ein,
haben bald den ganzen Freund.
Der ist verändert; es ist, als schäme er sich seiner Freundschaft.
So, wie er sich früher der Liebe vor uns geschämt hat,
schämt er sich jetzt der Freundschaft vor ihr.
Er gehört uns nicht mehr.
Sie steht nicht zwischen uns - sie hat ihn weggezogen.
Er ist nicht mehr unser Freund:
er ist ihr Mann.
Eine leise Verletzlichkeit bleibt übrig.
Traurig blicken wir ihm nach.
Die im Bett behält immer recht.
( Tucholsky)


Ist das so, meine Herren?

Rezension:Herbst. Goldenes Gleichnis (Gebundene Ausgabe)

Der 1935 geborene Maler, der einst sein Studium an der Akademie für bildende Künste in München absolvierte und von dem ich bislang in erster Linie Aquarelle in stahlenden mediterranen Farben bewundert habe, zeigt in diesem Buch seine Herbstimpressionen, die blaue, orangefarbene, dunkelgrüne, weinrote aber auch braune Farbtöne in den Vordergrund stellen. Seine Impressionen sind abstrakt. Die Bilder und Texte sind in nachstehende Kapitel untergliedert:


Der Anfang der kühlen Tage

Fallt ihr Blätter

Schön die Scheune

Aber der Mensch

Nebelmorgen

Zeit des Abschieds

Im schwarzen Grün

Wie alles sich verwandelt

Die Gedichte und die Prosatexte stammen aus der Feder von: Hermann Hesse, Richard Exner, Theodor Storm, Kyoshi, Rudolf-Alexander Schröder, jan Skácel, Gerold Spät, Rainer Maria Rilke, Ingeborg bachmann, Günther Kunert, Johann Ludwig Huber, Jacques Lusseyran, Cordelia Edvardson, Johann heinrich Voss, Reinhold Schneider, Hilde Domin, Manfred Hausmann, Karl Krolow, Paul Celan, Stefan Zweig und vielen anderen.


Besonders begeistert haben mich Felgers Bodensee-Impressionen, der Nebel dort, weit mehr als die fallenden Blätter übrigens. Schön bei diesem Künstler ist, dass selbst der Herbst nicht in grauen Farbtönen daher kommt. Felger schafft es, wenn auch in gedeckterer Form als im Frühling mediterran malen. Für ihn ist das Licht immer der zentrale Moment. Das finde ich wunderbar.

Rezension:Liebesgedichte Achmatowa

Die russische Lyrikerin Anna Achmatowa (23.6.1889- 5.3.1966) gilt als die wichtigste Vertreterin der Akmeisten, deren Stil von zarter Empfindung und lakonisch knapper, scheinbar distanzierter Darstellung geprägt ist. 1911 präsentierte sie im Salon von Wjatschelaw Iwanow in Petersburg erstmals einem größeren Kreis ihre Gedichte und erntete dafür Anerkennung. Achmatowas erster Lyrikband "Der Abend" war recht schnell ausverkauft.

Gemeinsam mit Gumiljow, Ossip Mandelstam, Michail Senkewitsch und Wladimir Narbut begründete sie die Richtung des Akmeismus. Beabsichtigt wurde, sich von der ornamentalen Fülle des Symbolismus zu lösen und sich einer strengeren, reineren Lyrik zu verschreiben. In ihrer frühen Lyrik erzählen ihre Gedichte häufig kurze Geschichten. Lyrisiert werden nicht selten Liebeskummer und Eifersucht. Oftmals stellt sie Fragen, geht Rätseln nach oder klagt das Schicksal an.


Achmatowa begründet ihren frühen Ruhm damit, dass sie sich in verschiedene Figuren hineindenkt. Später wird es ihr gelingen sich in die Rolle des "Gedächtnisses Russlands" hineinzudichten. Als sie sich nach ihrer gescheitertern Ehe 1915 in den Offizier Boris Anrep verliebt, widmet sie diesem zahlreiche Liebesgedichte, die unter dem Leitmotiv "Trennung" stehen.


Zwischen 1922 und 1940 erscheinen nur wenige Gedichte von der Lyrikerin. In den letzten Jahrzehnten ihres Lebens ändert sie die Thematik. Nun steht nicht mehr die Liebe, sondern, wie eingangs bereits erwähnt, die Erinnerung an die Vergangenheit im Vordergrund. Die russische Revolution führte dazu, dass der schönere Teil von Annas Leben beendet wurde. Von da an war ihre Wohnsituation stets instabil. Eine Zeitlang lebte sie im Haus ihrer Freundin Nadesha Mandelstam, der Frau des Dichters Ossip Mandelstam.


Im Oktober 1945 lernte sie den britischen Diplomaten Sir Isaiah Berlin in Leningrad kennen. Die Liebesgedichte, die sie ihm widmete, zählen zu dem Schönsten, was Lyrik überhaupt leisten kann. Aufgrund dieser Beziehung wurde die Dichterin von Stalin aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen. Dadurch verlor Achmatowa ihre Arbeitsmöglichkeit. Fünf Jahre nach Stalin Tod erstrahlte allerdings ihr Stern abermals. Nun konnte sie internationale Ehrungen entgegennehmen. 1964 wurde sie mit dem Ätna-Taormina-Preis in Italien ausgezeichnet.
1965 erhielt sie die Ehrendoktorwürde in Oxford.

Um einen Eindruck vom lyrischen Können Anna Achmatowas zu vermitteln, habe ich folgendes Gedicht ausgewählt:

Cinque

"Autant que toi sans doute il te sera fidele
Et constant jusques a la mort."
Charles Baudelaire

Wie am Rande der Wolke dort,
denk ich immer noch an dein Wort,

und mein Wort hat dir die Nacht,
zum leuchtenden Tag gemacht.

Wir standen der Erde so fern,
als wär jeder von uns ein Stern.

Nicht schüchtern und nicht entsetzt,
weder damals, noch später, noch jetzt.

Aber liehst du mir auch dein Ohr,
als ich dich - noch lebend- beschwor?

Und ich schlage die Tür, die du
aufgerissen, wohl niemals zu.
(1945)

Das ist Achmatowa, die in einem ihrer Verse ihrem britischen Geliebten sehnsuchtsvoll folgenden traurigen Zeilen schreibt: Reich mir lieber deine beiden Hände,/schwöre, dass du mir im Traum erscheinst./ Denn wir sind zwei stumme Bergspitzen.../ und ein Treffen ist uns nicht vergönnt./ Wenn mir nächtens durch das Sternenblitzen/ doch ein Gruß von dir erstrahlen könnt.

Empfehlenswert.

Rezension: Die schoensten Liebesbriefe deutscher Musiker

In Liebesbriefen erschließt sich die Art der Persönlichkeit und Empfindungsfähigkeit einer historischen Figur am besten. Besonders interessant ist es Liebesbriefe von Musikern zu lesen, deren Kompositionen Ausdruck ihrer Seele, Ausdruck des Gefühls sind. Die im Buch enthaltenen Texte stammen von Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven, Carl Maria von Weber, Albert Lorzing, Clara Wieck und Robert Schumann, Franz Liszt, Richard Wagner, Anton Bruckner, Johannes Brahms, Johann Strauss( Sohn) Gustav Mahler und Max Reger. Den ausgewählten Liebesbriefen der Komponisten sind Texte vorangestellt, die die Beziehungen zu den Empfängerinnen der Briefe kurz erklären.


Sehr berührt haben mich die Liebesbriefe, die Mozart an seine Frau Konstanze schrieb. Der Tenor dieser Briefe ist sehr positiv, fröhlich und unglaublich unverkrampft. "Liebstes, bestes Weibchen. Liebstes Weibchen, hätte ich doch auch schon einen Brief von Dir!........ Grüß Dich Stanzerl! Grüß Dich Gott, Spitzbub - Krallerballer - Spitzignas - Bagateller l - schluck und druck......Nun glaube ich so ziemlich viel Dummes (für die Welt wenigstens) hingeschrieben zu haben, für uns aber, die wir uns so innig lieben, ist es gerade nicht dumm.......liebe mich ewig so wie ich Dich, ich küsse Dich millionen Mal auf das zärtlichste und ewig, Dein Dich zärtlich liebender Gatte W.A. Mozart."


Ich habe bewusst aus diesem reizenden Brief zitiert, weil er viel über das Wesen dieses Mannes aussagt, der uns allen seine wundervolle Musik geschenkt hat. Die Zeilen an seine Frau sind auch Musik, Musik in den Ohren seines Stanzerl, die sich geliebt weiß von einem Mann, der sich völlig in seinen Liebesbriefen zurücknimmt und rührend auf seine Frau eingeht."...Sei nicht melancholisch, ich bitte Dich!.....sobald mein Geschäft zu Ende ist, so bin ich bei Dir, denn ich habe mir vorgenommen in Deinen Armen auszuruhen... Deine Gegenwart- ich meine, ich kann es nicht erwarten.....Wenn Du was brauchst, Stanzerl, so schreib es mir aufrichtig, und ich werde gewiss mit wahren Vergnügen in allem zu contentionieren suchen meine Stanzi Marini".

Mozart schreibt so hell, so offen und selbstlos wie seine Musik sich dem Zuhörer offenbart. Dieser großartige Mensch machte sich seiner Frau und der Welt zum Geschenk. Wagner tat dies nicht. Seine Briefe, die er an Minna Planer und Mathilde Wesendonk schreibt, zeigen den Egomanen, der mit selbstbezogenem Wortschwall Frauen von heute gewiss verschrecken würde. Anödend. Dieser Mann war liebesunfähig, eitel und unerträglich wie seine Musik in meinen Ohren. Noch nicht mal charmant konnte Wagner sein.


Ein Charmeur allerdings war Franz Liszt, der ein Frauenheld gewesen sein soll, was ich mir gut vorstellen kann. "Ich fühle ein unwiderstehliches Verlangen nach Ihnen....Ich liebe sie tief, aber ich kann Ihnen das nicht so sagen, wie sie das gern möchten. Warum fordern Sie auch von mir, dass ich Ihnen meine Seele übersetze und in schöne Sätze zerlege? Kann ich das tun?" fragt er fragt er 1836 Marie d` Agoult. 1851 endet ein Brief an Carolyne von Sayn-Wittgenstein mit den Worten "Nehmen wir mit dem Bewusstsein unserer Bestimmung die Leiden des Schicksals hin. Sie werden immer nur von kurzer Dauer sein. Vergessen wir nicht, dass unser Weg und unser Ziel die Liebe ist,- die Liebe, die alle Lasten leicht tragen lässt, denn sie entströmt unaufhörlich den Quellen der ewigen Lichts." Liszt war ein Mann, wie sich ihn intellektuelle Frauen mit Herzensbildung wünschen, gedanklich tiefgehend, feinfühlig, nicht schwermütig und charmant.


Aber lesen Sie bitte selbst, vielleicht favorisieren Sie ja eher Strauß als Briefschreiber, der Adele Strauß zu Ende seines Briefes wissen lässt "Es sendet Dir die herzlichsten Umarmungen in Unzahl Dein wonnetrunkener Jean."

Rezension:Liebesbriefe großer Frauen: Nimm meine Seele und trinke sie (Gebundene Ausgabe)

Dr. Sabine Anders und Katharina Maier haben im Sommer letzten Jahres "Liebesbriefe großer Männer" herausgegeben. Diese habe ich damals mit viel Interesse gelesen und auch rezensiert. Nun ist das Pendant zu besagtem Buch erschienen. Unter großen Frauen verstehen die Herausgeberinnen berühmte Persönlichkeiten aus der Politik, der Philosophie, der Literatur, der Kunst, der Musik, aber auch solche Frauen, die mit einer bedeutenden Persönlichkeit verheiratet waren, offenbar getreu dem Gedanken - Hinter einem starken Mann steht immer eine starke Frau -.
Man kann anhand der Briefe nachvollziehen, wie über die Jahrhunderte Frauen liebten, begehrten, sich verzehrten, an den Männern zu verzweifeln drohten, nicht selten entsagen mussten, aber auch oft Erfüllung fanden, so jedenfalls das Resümee von Anders und Maier. Auch diesmal interessiert mich, worin sich die verbalen Gefühlsäußerungen der einzelnen Schreiberinnen unterscheiden, weil ich wiederum neugierig bin Temperamentsunterschiede zu erspüren und erfühlen möchte, ob man sprachlich nachvollziehen kann, ob es wirklich Liebe oder nur Liebelei ist, die die jeweilige Verliebte zu ihrem Tun antreibt.

Eine kurze Beschreibung der jeweiligen Liebesbeziehung der einzelnen Briefverfasserinnen wird gegeben, bevor dann stets die Briefe folgen.

Es ist unmöglich innerhalb der Rezension alle Schreiberinnen in Buch zu nennen, Heloisa, Katharina von Aragon, Ninon de Lenclos, Angelika Kaufmann, Marie Antoinette, Mary Wollstonecraft, Caroline Schlegel/Schelling, Christiane Vulpius, Rahel Levin, Luise von Mecklenburg - Strelitz, Karoline von Günderrode, George Sand, Clara Wieck/Schumann, Edith Wharton und Rosa Luxembourg gehören dazu.

Am meisten berührte mich der Liebesbrief von Katharina von Aragon (1485-1536) an ihren Gatten König Heinrich VIII, der sie vom Hofe verbannte, um Anne Boleyn zu heiraten. Katharina, Tochter der spanischen Könige Ferdinand und Isabella, betrachtete sich bis zu ihrem Tode als die rechtmäßige Ehefrau Heinrichs VIII, den sie innig geliebt haben muss, wie der Brief deutlich macht.

Am Ende Ihres Briefes schreibt sie aus der Verbannung : "Ich schließe und versichere Euch, dass ich Euch noch von Herzen liebe; und das Einzige, was ich wünschte, um ruhig aus der Welt zu gehen wäre, Euch zu sehen und in Euren Armen zu sterben." Innig geliebt hat auch Christiane Vulpius ihren Goethe. Sie war eine sehr erdverbundene, einfache Frau mit einem großen Herzen. Wenn ich die Briefe lese, wird mir klar, wieso der Dichterfürst sich in diese Frau verliebte "... ich liebe Dich unaussprechlich...ich liebe Dich über alles...Wenn Du wiederkömmst, wenn noch schöne Tage sind, dass wir noch mannichmal im Garten am Hause schlampampfen können, da freue ich mich drauf...Leb recht wohl und behalt mich lieb, mein Einziger."


Die intelligenteste und brillanteste Briefschreiberin ist die große französische Salondame Frankreichs Ninon de Lenclos (1620-1705). Schön, geistreich und selbstbewusst war sie und sie hatte viele Liebhaber. Den vermutlich letzten Galan erhörte nach ihrem achtzigsten Geburtstag. An den Marquis de Sévigné schreibt sie u.a...."Ich bin geboren, um zu lieben und alle Begeisterung der Liebe zu empfinden". In ihren Briefen zeigt sie sich als Meisterin des höfischen Spiels um Koketterie, Eroberung und Liebe. Ich möchte nicht beurteilen, ob sie die Liebesfähigkeit einer Karoline von Günderrode besaß, die an Friedrich Creuzer schreibt: " Wenn ich sterbe, mein Freund, so werde ich Dir erscheinen, wenn Du nachts allein bist, dann trete ich leise an Dein Bett und drücke einen Kuss auf Deine Stirn.
Wenn Du stirbst, so komme auch zu mir. Versprich es!"....und ein Jahr später..."Ich liebe Dich bis zum Tode, süßer, lieber Freund, Du mein Leben: Ich wünsche, Dir zu leben oder zu sterben...Unser Schicksal ist traurig, ich beneide mit Dir die Flüsse, die sich vereinigen. Der Tod ist besser als so zu leben. Eine Hoffnung erhält mich, aber diese ist Torheit."
George Sand lässt einen Brief an ihren 16 Jahre jüngeren Geliebten Frederic Chopin mit den selbstironisierenden Worten enden. "Gute Nacht. Ich werde zu Bett gehen; ich bin zum Umfallen müde. Lieben Sie Ihre Alte so sehr, wie sie Sie liebt. G.S "

Vielleicht noch ein paar Zeilen der Schriftstellerin Edith Wharton an William Morton Fullerton "... im Augenblick sehe ich im gesamten Universum nur eines, nur eines dringt in mein Bewusstsein - Du und unsere Liebe füreinander. "


Ein lesenswertes Buch.

Rezension:Liebesbriefe großer Männer

Dr. Sabine Anders und Katharina Maier sind die Herausgeberinnen der "Liebesbriefe großer Männer".
Unter großen Männern verstehen die beiden Damen berühmte Persönlichkeiten aus der Politik, der Literatur, der Kunst und der Musik, wie man dem Inhaltsverzeichnis entnehmen kann. Die hier aufgeführten Briefschreiber sind alle schon lange verstorben. Auffallend ist, dass die Mehrzahl der Personen im 18. und 19. Jahrhundert lebte. Vermutlich erreichte das Schreiben von Liebesbriefen zu diesem Zeitpunkt seinen Höhepunkt. Was sind Liebesbriefe?

Auf der Rückseite des Buchumschlags erfährt man, dass es stete Versuche sind "die drei Worte - Ich liebe dich - so auszudrücken, dass der andere die Verzückung dieses großen Gefühls spüren und glauben kann."
Ich bin stets etwas zögerlich Briefe zu lesen, die nicht an mich adressiert sind. Das gilt umso mehr für Liebesbriefe. Diese sind ganz besondere Geschenke, mit denen man sehr sorgfältig umgehen sollte. Da keiner der Schreiber mehr lebt und die Nachfahren offenbar wenig Probleme damit haben den intimen Nachlass dieser Personen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, habe ich mich schließlich zur Lektüre des Buches entschlossen, weil mich interessierte, worin sich die verbalen Gefühlsäußerungen der einzelnen Schreiber unterscheiden, weil ich neugierig war Temperamentsunterschiede zu erspüren und weil ich erfühlen wollte, ob man sprachlich nachvollziehen kann, ob es wirkliche Liebe oder nur Liebelei war, die den jeweiligen Verliebten zu seinem Tun antrieb. Es ging mir dabei weniger darum, wer die Briefe geschrieben hat, sondern wie die Texte angelegt sind.

Ist es möglich die Zwischentöne herauszuhören? Ist es möglich die Gefühlsintensität in ihrer Gesamtheit zu erspüren? Kann man den Unterschied zwischen Galanterie und ernst gemeinter Liebesempfindung aus Worten heraushören? Ja, es ist möglich. Vielleicht, weil man emotional relativ unbeteiligt ist und der analytische Blick nicht getrübt wird.

Ich muss zugeben, dass ich von den Briefen Napoleons an Josephine am meisten angetan bin. Wie kein anderer Schreiber - noch nicht einmal Goethe, Lord Byron, Liszt und Rilke - dokumentiert Bonaparte in seinen Briefen die intensive Liebe zu seinem Herzens - Du, indem er sich völlig zurücknimmt und Josephine glaubhaft zur Königin seines Gefühlslebens und seiner Träume macht:

"Fortwährend denke ich im Geiste an Deine Küsse, Deine Tränen, Deine reizende Eifersucht, und der Zauber der unvergleichlichen Josephine entfacht immer von neuem die wild glühende Flamme meines Herzens und meiner Sinne. Wann werde ich endlich, frei von Sorgen und Geschäften, all meine Zeit bei Dir verbringen können, nicht anderes zu tun zu haben, als Dich zu lieben, an nichts anderes zu denken brauchen als an das Glück, es Dir zu sagen und zu beweisen?" Dieses Sich - Zurücknehmen ist ein Indiz für große Liebe. Wenn der Briefschreiber in erster Linie von seinem Befindlichkeiten schreibt, werde ich skeptisch. Richard Wagner ist so ein Fall. Man liest auch Liebesbriefe der Adressatinnen. Mitunter erscheinen die Gefühlsäußerungen ein wenig Besitz ergreifend, wie etwa bei Karoline von Günderrode an Friedrich Kreuzer: ".... Lass keine Zeit, kein Verhältnis zwischen uns treten. Den Verlust Deiner Liebe könnte ich nicht ertragen, versprich mir, mich nimmer zu verlassen." Bei solchen Äußerungen ist immer Vorsicht angesagt.

Eine kurze Beschreibung der jeweiligen Liebesbeziehungen der einzelnen Briefverfasser wird gegeben. So erfährt man beispielsweise : "Als Goethe nach Weimar kam, lernte er die sieben Jahre ältere und unglücklich verheiratete Charlotte von Stein kennen. Ihr Verhältnis dauerte fast 10 Jahre und zerbrach erst als Goethe seine fluchtartige Italienreise antrat. Nach seiner Rückkehr über ein Jahr später dauerte es lange, bis die beiden wieder zu einem freundschaftlichen Umgang miteinander fanden."

Es ist unmöglich innerhalb der Rezension alle Schreiber im Buch zu nennen. Puschkin, Heine, Keats, Hugo und Schnitzler gehören zu ihnen, aber auch Oskar Wilde. Dieser schreibt an seinen Geliebten Bosie (Lord Alfred Douglas): "......Wenn wir uns im Missklang befinden, dann verliert für mich die Welt alle Farbe; doch wir sind ja niemals wirklich im Missklang. Ich denke an Dich Tag und Nacht.... Ich bin immer voller Hingabe, der Deine..."

Ein wunderbares Buch mit wundervollem Inhalt. Ich erlaube mir meine Rezension mit einigen Zeilen aus einem Liebesbrief Franz Liszts an Carolyne Sayn-Wittgenstein zu beenden:

"Vergessen wir nicht, dass unser Weg und unser Ziel die Liebe ist- die Liebe, die alle Lasten leicht tragen lässt, denn sie entströmt unaufhörlich den Quellen des ewigen Lichts."


Sehr empfehlenswert!

Rezension:Liebesgedichte: Italienisch und deutsch (insel taschenbuch) (Taschenbuch)

Der Bildhauer, Maler, Baumeister und Dichter Michelangelo, eigentlich Michelangelo Buonarroti (1475-1664) war der Hauptmeister der Hochrenaissance und der bedeutendste Wegbereiter des Manierismus. Seit 1496 arbeitete er abwechselnd in Florenz, Rom und in den Marmorbrüchen von Carrara, ehe er 1534 endgültig nach Rom übersiedelte. Seine Liebesgedichte sind , so Boris von Brauchitsch im Nachwort, vorwiegend an Männer gerichtet. Der Neffe des Künstlers sorgte im Nachhinein dafür, dass die männlichen Endungen in weibliche verwandelt wurden, allerdings sind einige Adressaten bekannt: Antonio Mini, Febo di Poggio und Tommaso Cavalieri. Lange nahm man die Liebesgedichte Michelangelos nicht ernst, weil die Adressaten Männer waren . Die verklemmte Moral stand dagegen.


B.von Brauchitsch konstatiert, dass Michelangelos Gedichte mitunter wie aus hartem Material gemeißelt und geschnitzt erscheinen. Sie sind nach seiner Meinung nicht hingehaucht, nicht hingegossen, sondern sperrig, manchmal hölzern mit splitternden Kanten, manchmal steinern ohne Politur. Sie sind, so der Schreiber des Nachworts, wie Skulpturen, von denen der allergrößte Teil unfertig erscheint, nicht ganz befreit aus dem Marmor. Recht hat er mit der Analyse , genau so wirken sie auf den Leser. Ich teile von Brauchitschs Vermutung , dass Michelangelo mitunter den Reiz erkannte, den ein nicht ganz freigelegter Körper besitzen kann und diese Erkenntnis für seine Gedichte nutzte. Michelangelos poetische Themen sind Liebe, Tod und Leidenschaft.

Ich habe folgendes Liebesgedicht vom Schöpfer des atemberaubend schönen David ausgewählt, um Ihnen den Lyriker Michelangelo vorzustellen:


Wie dürres Holz will ich in Feuerflammen

Vergeh`n , wenn ich dich nicht von Herzen liebe,

Und, wenn ich anders fühle, mich verdammen!

Und wenn ich anderer Schönheit mich verschrieben,

Dass deine Augen mich nicht mehr durchglüh`n,

Dann nimm sie mir , dem das Sterben bliebe!


Wenn Traum und Trachten mich nicht dir entzieh`n

Dann mag mein Denken so verzweifelt sein,

Wie es in deiner Liebe stark und kühn!


Beraubt man mich der Glut, muss ich verderben,

Ich sterbe dort, wo alle andern leben;

Nur heißes Feuer kann mir Nahrung geben,

Ich leb von dem, woran die andern sterben.

(Michelangelo)

Dieser wundervolle Gedicht spricht Bände. Es sagt meines Erachtens viel über das innere Wesen des Künstlers aus, über die explosive Leidenschaft, die neben künstlerischem Können notwendig ist , um eine Skulptur wie David zu erschaffen.

Empfehlenswert.

Rezension:Liebesgedichte an Laura (insel taschenbuch) (Taschenbuch)

Wer liebend stirbt, stirbt einen schönen Tod ( Petrarca)

Der Lyriker Francesco Petrarca (1304-1374) lotet in den vorliegenden " Liebesgedichten an Laura" seine emotionalen Befindlichkeiten gegenüber dieser offenbar sehr schönen Frau aus. Dabei bleibt ungewiss, ob Laura tatsächlich gelebt hat oder ein Trugbild des Dichters war. Petrarca bespiegelt in seinen Gedichten seine Gefühlwelt, spricht von seinem Verlangen , seinem Seufzen, seinem Kummer und seinem Schmerz , der sich nach dem Tode Lauras noch verstärkt. Petrarca leidet an seinem Liebesgefühl. Dieses ist für ihn Lust und Qual zugleich.

Irritierend erscheint mir, dass nicht Laura ( Petrarcas Liebesobjekt), sondern in erster Linie die Gefühle des Lyrikers im Vordergrund seiner Dichtung stehen. Das hat zur Folge, dass Laura in all den wunderschönen Gedichten immer ein wenig wie eine idealisierte Fremde besungen wird, über die man spricht, die man aber selten konkret anspricht. Besonders beeindruckend , aber auch bezeichnend für Petrarcas distanzierte Grundhaltung ist das Gedicht über " Lauras Tod". Anders als in seinen Liebesgedichten an Laura spricht der Lyriker allerdings ausnahmsweise mal nicht von seinen Gefühlsirritationen.

Nicht wie die Flamme, die gewaltsam zum Erlöschen

gebracht wird, sondern wie eine, die sich selbst verbraucht,

ging die zufried`ne Seele in Frieden von dannen,

einem milden, hellen Lichte gleich, dem die Nahrung ausgeht.

So blieb sie bis zum Ende sich selbst treu.

Nicht bleich, nein, weißer als der Schnee,

der in der Stille auf einen schönen Hügel herabflockt,

schien sie sich niederzulegen wie jemand, der müde ist,

als überkäme süßer Schlummer ihre schönen Augen

und als wäre ihr Geist schon fern von ihr:

so war das, was die Toren sterben nennen.

Der Tod schien schön auf ihrem schönen Anlitz

Petrarcas Todessehnsucht nach dem Ableben Lauras wird immer wieder überlagert von Selbstvorwürfen.

Die feinsinnigen Gedichte zeigen die Widersprüche und Gefühlsschwankungen des melancholischen Lyrikers deutlich auf.