In unserer virtuellen Welt spielen die Jahreszeiten für viele Menschen emotional betrachtet nur noch eine sekundäre Rolle. Frühlingsgefühle werden als Kitsch abgetan, alles Bunte wird in dieser Welt müde und "cool" belächelt, für die eine Dichterin wie Else Laske-Schüler mit ihren Gedanken so fremd ist wie ein ferner Stern.
Maienregen
Du hast deine warme Seele
Um mein verwittertes Herz geschlungen,
und all seine dunklen Töne
Sind wie ferner Donner verklungen
Aber es kann nicht mehr jauchzen
Mit seiner wilden Wunde,
Und wunschlos in deinem Arme
Liegt mein Mund auf deinem Munde
Und ich höre dich leise weinen,
Und es ist- die Nacht bewegt sich kaum-
Als fiele ein Mairegen
auf meinen greisen Traum.
(siehe S. 198)
Lassen Sie den Text ein paar Minuten auf sich wirken. Kennen Sie solche Gefühle?
Das ist eines der vielen Frühlingsgedichte in diesem Buch, welches der Herausgeber Michael Adrian in folgende Kapitel untergliedert hat:
2. Die Welt, ein Frühlingstraum
3. Es liebt sich so lieblich im Lenze
4. Es ist die Nachtigall die ganz lange gesungen
5. Es ist ein tiefes Frühlingsschauern als wie ein Auferstehungstag
6. Lustig leuchtet der Mai
7. Doch lächelnd stirbt der holde Lenz dahin
Die ausgewählten, rund 150 Gedichte sind von namhaften Dichtern verfasst worden. Zu diesen gehören u.a.: Johann Wolfgang von Goethe, Joseph von Eichendorf, Theodor Fontane, Clemens von Brentano, Nikolaus Lenau, Ludwig Uhland, Matthias Claudius, Novalis, Rainer Maria Rilke, Heinrich Heine, Karl Krolow, Mascha Kaléko und andere mehr.
Allen Dichtern gemeinsam ist, dass sie die emotionale Beschwingtheit, die sich bei poesiebegabten Menschen dann, wenn die Natur erwacht, nicht selten mit Melancholie mischt und allgemein als Frühlingsgefühl bezeichnet wird, sprachlich exzellent zum Ausdruck bringen können.
Heinrich Heine bringt dies in einem Vers eines seiner Frühlingsgedichte sehr schön auf den Punkt:
"Mein Herz, mein Herz ist traurig,
Doch lustig leuchtet der Mai;
Ich stehe, gelehnt an der Linde,
Hoch auf der alten Bastei."
(siehe S. 193)
Die vielen Gedichte im Rahmen einer Rezension zu interpretieren, ist nicht möglich und es wäre vermessen eines der Gedichte zum schönsten Gedicht des Buches zu küren, denn jedes ist auf seine Art ein kleines Meisterwerk.
Nicht in alle sprachlich zum Ausdruck gebrachten Seelenbilder der im Buch veröffentlichten Dichter kann ich mich in gleicher Weise einfühlen. Heinrich Heine löst sofort Resonanz bei mir aus. Vielleicht geht es Ihnen ja ähnlich:
In meiner Erinnerung
Die Bilder, die längst verwittert-
Was ist in deiner Stimme,
Das mich so tief erschüttert?
Sag nicht, dass du mich liebst!
Ich weiß, das Schönste auf Erden,
Der Frühling und die Liebe.
Es muss zu Schanden werden.
Sag nicht, das du mich liebst!
Und küsse nur und schweige
Und lächle, wenn ich dir morgen
Die welken Rosen zeige.
(siehe S. 108)
Dieses Buch empfehle ich sehr gerne.
PS: Zu Ende des Buches sind die Nachweise der einzelnen Gedichte aufgelistet.
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