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Rezension: Charles Bukowski- Letzte Meldung

Der amerikanische Schriftsteller und Lyriker Charles Bukowski (1920-1994) hat einen beachtlichen Fundus an Gedichten, Fragmenten und Unvollendetem hinterlassen. Der vorliegende Band "Letzte Meldungen" hat sein Freund und Übersetzer Carl Weissner herausgegeben und sich dabei an den hohen Qualitätsanspruch Bukowskis bei der Auswahl der Gedichte gehalten, zu denen auch zahlreiche deutsche Erstveröffentlichungen zählen.

Der in Andernach am Rhein geborene Lyriker lebte seit 1922 in den USA. Die Gedichte sind mit das Beste, was ich je an Lyrik gelesen habe. Das gilt auch für sein Gedicht "Catull und seine Liebesgedichte", in dem er eine kleine, möglicherweise erfundene historische Anekdote erzählt, die mit dem Fazit endet "Besser man fängt mit einem /Flittchen an, als dass man/ mit einem endet."(S.32)

Er schreibt amüsiert über die "Gallopiernde Inflation" in den 1920er Jahren und resümiert: "Sieht so aus, als würden/nur die Nutten am Imperial/Highway überleben und sich/die Erde untertan machen."(S.49)

An anderer Stelle dichtet er von Jockeys wie Johnny, die für ihn die Tragödie des Lebens definieren und zwar mehr als der Tod von Marco Polo, Picasso oder Heinrich dem VIII. Das Gedicht, in dem er Johnny gedenkt, lässt er mit den Worten enden: "Während Kant/mumifiziert in/seinem Sarg liegt/und Mozart zu/Staub zerfällt/haut Johnny/eine Karte/ auf den/ Tisch/und ge-/winnt doch/noch ein/Spiel". (S.53) Für Bukowski findet das Leben im Jetzt und nur dort statt und er macht in allen Gedichten deutlich, dass dieses gegenwärtige Leben jenseits des schönen Scheins zu Erkenntnissen führt, die Bildung letztlich nicht zu geben vermag. "Shakespeare ist tot."....(S.55)

Berührend, seine Selbsterkenntnis und der Hinweis auch, dass er sich zwar stets mit der krassen Sprache der Unterschicht und deren Elend auseinander setzte aber letztlich anderswo her kam. "Ein Klugscheisser/ Das war ich,/ auf dem Campus.... Ich las nichts als Nietzsche und/ Schopenhauer./ Ich hatte Journalismus und Kunst belegt/und wenn wir einen Text pro Woche/schreiben sollten, gab ich sieben ab." (S. 57)

Pferde, Alkohl, Dirnen und Zocker- Männerwelten sind sein Thema, aber auch "Kleopatra mit sechzig , die einst der schönste Filmstar des Landes war und mit einem gebrochenen Rückenwirbel im Krankenhaus liegt. Man gedenkt ihrer kaum noch. Die Besucher des einst gefeierten Stars sind rar. Sie ist auf sich selbst zurückgeworfen." Was geht ihr wohl durch den Kopf;/hat sie vielleicht ihr wahres Ich/entdeckt, zu echter Einsicht/ gefunden,wenn auch vielleicht zu/spät?.../

Um Ihre Leselust anzutörnen, will ich eines der vielen Gedichte aus dem Buch zitieren. Ich finde dieses Gedicht außerordentlich gelungen, subtil, ganz nah am Leben, näher als all als das, was man in jungen Jahren so oft erzählt bekommt. Pädagogisch ist es sehr wertvoll:

Einer kam Durch

Peter war eine Missgeburt
Peter war fett, eine Dumpf-
backe, unbeholfen, er stotterte
und stolperte, die Mädchen
lachten ihn aus, die Jungs
trietzten ihn, nach dem Unterricht
musste er oft dableiben, die Brille
fiel ihm dauernd von der Nase
seine Schnürsenkel waren lose
das Hemd hing ihm hinten raus
er hatte unmögliche Sachen an
und saß immer in der hintersten
Reihe, und der Rotz lief ihm
aus der Nase.


Das war damals. In der Grundschule
und den ersten beiden Jahren
Highschool. Danach
verloren sie ihn
aus den Augen.


Heute fährt er seine teuren Autos
nie länger als ein Jahr, hat ständig
eine neue und noch schönere Freundin
trägt keine Brille mehr, ist
schlank, sieht beinahe gut aus
hat ein selbstbewusstes Auftreten
ein Anwesen in Mexiko, ein
Haus in Hollywood.
Er ist Kunsthändler, spekuliert
an der Börse, spricht
drei Sprachen. besitzt eine Jacht
und ein Privatflugzeug.
Nebenbei ist er auch noch
Filmproduzent.


Denen aus der Schulzeit
ist er ein komplettes
Rätsel. Irgendetwas
ist passiert. Aber
was, zum Kuckuck?


Die meisten Götterjünglinge
von damals, soweit sie
überlebt haben, sind krumm
und bucklig, unrühmlich ge-
scheitert, halb verblödet,
obdachlos, senil oder kurz
vor dem Tod.


Es kommt selten so
wie man denkt.
Eigentlich
nie.


Charles Bukowski ist ein Vertreter des Hier und Jetzt. Das zeigen alle seine Gedichte. Das Gedicht "Einer kam durch" macht deutlich, dass er sehr weise war und gerade deshalb so respektlos gegenüber jeglichem schönen Schein.
Das rezensierte Produkt ist überall im Handel erhältlich.


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